Bikini aus Alaska
Alexander hat einen verrückten Freund. Dieser - Hanseat durch und durch - hat tatsächlich Wein angebaut. In Hamburg. Weinbau an der Elbe! Er hat sogar vor, diesen Wein zu einer Reife zu bringen, die es dem jeweiligen Senat und wechselnden Parteien erlauben, ihn besonderen Gästen anzubieten. Weinbau in Hamburg... Wenn dieser Mann in Alaska leben würde - vermutlich käme er auf die Idee, dort Bikinis made in Alaska herzustellen. Obwohl das gesamte Leben dort nur in Fellen, mindestens speziell gefütterten Anoraks aushaltbar ist. Bikini oder gar oben ohne? In echter Kälte lebt man ohne oben ohne. Das Marketing für Bikini-Produktionen made in Alaska ist daher ebenso hoffnungslos wie Müller-Thurgau von der Elbe, geschweige Spätlese a Blankenese. Doch Alexanders Freund arbeitet in der Werbung, wo bekanntlich eine gewisse Portion Verrücktheit Voraussetzung für den Job ist. Meinen Vergleich mit dem BH aus Alaska - Alexander hat ihm meine höhnische Reaktion mitgeteilt - beantwortete er mit einem sofortigen Telefonat: Eine wirklich hervorragende Idee. Das Marketing-Konzept für einen völlig neuen Bikini-Typ made in Alaska hätte -Werbepsychologisch - einen Garantie-Markt. Wegen des unerwarteten Überraschungseffekts, wegen des Paradoxen darin...Ob ich ihm die Idee verkaufen würde? An Bikinis bin ich uninteressiert (kommerziell, meine ich). Aber ich will das Gelernte übertragen auf uns hier. Was könnte neues Markenzeichen für Uelzen Kreis und Stadt, für die Lüneburger Heide sein? Nein, nicht schon wieder unser Zucker oder unsere Milch. Das haben auch andere. Auch nicht Hermann Löns oder malerische Hünengräber oder Tierversicherung ziehen auf dem Markt - weil sie eben zu uns gehören, Symbol für uns sind. Wir brauchen etwas, worüber der Konsument stolpert, weil es - eben nicht zusammenpasst. Was wir nicht hier haben sind Berge, geschweige richtiges Gebirge. Wie wär's also mit einem Set Hochgebirgsausrüstung aus Uelzen? Das Fernglas in diesem Set würde Zeiss in Jena und Späth erblassen lassen: Vom Weitsehen verstehen wir alles. Alle Schweizer Besucher, die ich auf den Müdener Berg oder auch nur den Blauen bei Holdenstedt führe, lassen ihr amüsiert-ironisches Lächeln fahren, wenn sie oben standen und Weitsichten genossen, die ihnen ihre Berge selten ermöglichen, weil der Sicht von einem Gipfel der nächste schon im Wege steht. Oder: Meerestiefen haben wir hier auch nicht. Wie also wär's mit Tiefseetaucher-Ausrüstungsproduktionen made in Kreis Uelzen, zumal wir zwei der-Erfahrungen nachweisen können? In jedem Fall: Wir sollten paradox produzieren. Wie Hamburg den Wein. 05. Februar 2002